Chronische Rücken- und Nackenschmerzen

Von Dr. med. Andreas Bätscher, Schmerzklinik Zürich

Der Bewegungsapparat ist häufigster Ausgangspunkt chronischer Schmerzen; im Vordergrund stehen degenerative Abnützungserscheinungen, nicht nur an Knie- und Hüftgelenk, sondern zum Beispiel auch an den kleinen Zwischenwirbelgelenken (Facettengelenke) der Wirbelsäule, die alle Bewegungen wie Beugen, Strecken und Drehen überhaupt ermöglichen. Wenn Physiotherapie, Massage und die ganze Palette konservativer Massnahmen keinen anhaltenden Effekt zeigen, muss davon ausgegangen werden, dass die Schmerzursache in etwa 60 Prozent der Fälle durch Abnützung der Zwischenwirbelgelenke erzeugt wird.

So kann schon Drehen im Bett schmerzhaft sein, wie auch Aufstehen, langes Sitzen, Stehen und Gehen. Die therapeutischen Ansätze sind mannigfaltig; klischeemässig seien hier ein paar Schlagworte ohne ernstgemeinte Seitenhiebe benutzt: der Chirurg mag argumentieren, dass eine operative Versteifung der Gelenke zur Schmerzlinderung führt, ein grosser Teil der Schmerzmediziner oder auch Rheumatologen ist der Meinung, dass das Einspritzen von Kortison zu den Zwischenwirbelgelenken zur Beruhigung beiträgt, ein weiterer Teil der minimal invasiven Schmerzmediziner vertritt die Meinung, dass eine anhaltende Schmerzlinderung nur durch Veröden (Radiofrequenzläsion) der Nervenäste, welche diese Gelenke innervieren, zum Ziel führen kann; und viele Ärzte schliesslich sind der Auffassung, dass keine der genannten Methoden überhaupt etwas nütze, am Besten und Billigsten seien ein paar Tabletten «Schmerz lass nach». Im Folgenden wird die Methode der Radiofrequenzläsion (RF) erläutert.

Durchbruch im Jahr 1996
Die Radiofrequenzläsion wird seit Mitte der 70er-Jahre zur Behandlung von chronischen Rückenschmerzen angewandt. Hierbei wird unter Röntgenkontrolle mit Echtzeitdarstellung eine spezielle Nadel durch Punktion durch die Haut (minimal invasive Intervention) zum gesuchten Nerv gelenkt, wo dieser mit Hitze (ca. 80°C) gezielt verödet wird. Das Durchleuchtungsverfahren wie bei der Herzkatheteruntersuchung ist das einzige bildgebende Verfahren mit Echtzeitdarstellung, die Computertomographie ist daher ungeeignet. Erst 1996 konnte erstmals nachgewiesen werden, dass es zur erfolgreichen Behandlung unabdingbar ist, dass die Nadelspitze parallel zum Nerv gelegt werden muss, um eine möglichst lange Kontaktfläche herzustellen, ansonsten keine ausreichende Verödung erreicht werden kann und das Verfahren scheitern muss. Somit steht fest, dass nur eine minutiös exakt angewandte Technik durch einen erfahrenen Spezialisten erfolgreich sein kann. Ein Facettengelenk gilt dann als vollständig denerviert und schmerzfrei, wenn die ableitenden Nervenäste (medial branches) komplett verödet wurden.




Voraussetzung: gesicherte Diagnose
Unabdingbare Voraussetzung für einen signifikanten Nutzen für den Patienten ist die zugrundeliegende gesicherte Diagnose. Diese gilt in Fachkreisen nur dann als gesichert, wenn zwei zeitlich voneinander unabhängige probeweise Blockaden der fraglichen Nervenäste durch gezielte Injektionen zu möglichst kompletter Schmerzfreiheit geführt haben. Alle anderen diagnostischen Massnahmen, insbesondere Bildgebung oder auch klinische Untersuchung, können zwar Hinweise für das Vorliegen eines Facettengelenkschmerzes geben, korrelieren jedoch wenig mit realen Befunden, auch lassen sie keine Rückschlüsse zu bei der Festlegung der betroffenen Niveaus.

Will man sich anhaltenden Erfolg bei der Behandlung mittels Radiofrequenztherapie erhoffen, so sind somit folgende Voraussetzungen zu erfüllen: 1. die Diagnose muss stimmen; 2. die betroffenen Wirbelsegmente müssen korrekt definiert sein; 3. die Radiofrequenzläsion muss technisch einwandfrei ausgeführt werden; und 4. sollte im Anschluss an die abgeschlossene Intervention mit gezielter und fachgerechter Physiotherapie die regionale Muskulatur gelockert und gestärkt werden, denn diese verhärtet als Folge des chronischen Schmerzzustands zunehmend und beginnt selbst zu schmerzen.
Die Aufgabe der Physiotherapie besteht nach Abschluss der Interventionstherapie darin, mit gezielten Grifftechniken den Bewegungsablauf der beteiligten Gelenkpartner zu optimieren und die Dysbalance zwischen stabilisierenden und mobilisierenden Muskeln mittels gezielter Übungsauswahl zu korrigieren, um den Aufbau der Rumpfmuskulatur zu ermöglichen.

Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, so stellt die Radiofrequenztherapie allerdings eine für viele Patienten segensreiche Therapieform dar.