Fischöl in der Schwangerschaft

Fettleibigkeit im Kindesalter ist eine Ursache von Typ-2-Diabetes und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs. Ernährungsmediziner sind deshalb auf der Suche nach wirksamen Präventionsmassnahmen. „Die Vorbeugung von Übergewicht und Adipositas sollte so früh wie möglich erfolgen“, sagt Prof. Hauner, Leiter des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin der TU München.

Die Forschungsarbeit von Prof. Hauner setzt deshalb bereits im Mutterleib an: In der INFAT-Studie untersuchen Hauner und seine Kollegen im Rahmen des Kompetenznetzes Adipositas, wie sich die Zusammensetzung der Fettsäuren in der mütterlichen Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit auf den Nachwuchs auswirkt. Im Fokus steht dabei das Verhältnis zwischen Omega-6-Fettsäuren, die in Fleisch und Wurstwaren vorkommen, und Omega-3-Fettsäuren, die besonders in fetten Meeresfischen enthalten sind. Ein erhöhter Anteil an Omega-3-Fettsäuren in der mütterlichen Ernährung gilt als vielversprechend für die Vorbeugung von Adipositas: Zellbiologische Versuche und Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass die Arachidonsäure - eine Omega-6-Fettsäure - zu einem verstärkten Wachstum von Fettzellen führt. Im Gegensatz dazu ergaben die Experimente für Omega-3-Fettsäuren eher eine bremsende Wirkung auf die Fettgewebsentwicklung des Mäuse¬nachwuchses.

Die Ergebnisse der INFAT-Studie stellen die Wirksamkeit einer solchen Prägung im Mutterleib, also der fötalen Programmierung auf „schlank“, nun in Frage. Die Wissenschaftler um Prof. Hauner haben 208 werdende Mütter seit Beginn der Schwangerschaft kontinuierlich begleitet und untersucht. Eine Gruppe der Frauen nahm in der Schwangerschaft und Stillzeit durch die Einnahme von Fischölkapseln und den Verzehr von mehr Fisch- und weniger Fleischmahlzeiten gezielt mehr Omega-3-Fettsäuren zu sich. Die Kontrollgruppe hingegen behielt ihre üblichen Ernährungsgewohnheiten bei und verzichtete auf die Fischölkapseln. In jeder Gruppe wurde das Fettgewebe der Kleinkinder durch die regelmässige Messung von Hautfalten bis zum zwölften Lebensmonat erfasst. Auch per Ultraschall wurde die Dicke der Fettschicht am oberen Bauch der Kleinkinder bestimmt, zum ersten Mal bei so jungen Kindern. Das Ergebnis: Zwischen beiden Gruppen liess sich kein Unterschied in der Fettgewebsentwicklung feststellen. Von einer fötalen Programmierung kann in diesem Fall nicht die Rede sein. Eine Prävention von kindlichem Übergewicht durch die Einnahme von Fischöl-Präparaten in der Schwangerschaft konnte somit in der INFAT-Studie nicht nachgewiesen werden.

Eine höhere Intelligenz, der Schutz vor Allergien oder eben vor Übergewicht? „Vieles, was Nahrungsergänzungsmittel versprechen, muss kritisch hinterfragt werden“, stellt Prof. Hauner fest. „Die Entwicklung im Mutterleib ist ein komplexer Prozess und lässt sich nicht auf einen einfachen Zusammenhang zwischen Nährstoffzufuhr und Fettgewebsentwicklung reduzieren. Zudem kommen zum Beispiel im Kindergarten und in der Schule weitere Umweltfaktoren hinzu, die sich auf das Körpergewicht auswirken“, sagt Prof. Hauner. Die Kinder werden deshalb im Rahmen der INFAT-Studie bis zu ihrem fünften Lebensjahr in regelmässigen Abständen untersucht. Auch weitere Annahmen über die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren sollen noch geprüft werden, beispielsweise der mögliche Schutz vor Asthma oder Neurodermitis. Mit der INFAT-Studie stehen dafür zum ersten Mal umfangreiche Daten aus einer prospektiven Interventionsstudie zur Verfügung.

Veröffentlichung: Hauner H, Much D, Vollhardt C, Brunner S, Schmid D, Sedlmeier EM, Heimberg E, Schuster T, Zimmermann A, Schneider KTM, Bader BL, Amann-Gassner U. online publiziert am 28. 12. 2011
http://www.ajcn.org/content/early/2011/12/26/ajcn.111.022590.abstract

INFAT-Studie: Hauner H, Vollhardt C, Schneider KTM, Zimmermann A, Schuster T, Amann-Gassner U. 
http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?doi=10.1159/000209267

Kontakt:
Technische Universität München
Prof. Hans Hauner
E-Mail: hauner@tum.de

TU München
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URL: http://portal.mytum.de