Sonderlasten Gesundheitsversorgung Kanton Zürich

 

1000 Tage nach der Einführung der leistungsorientierten Spitalplanung und Spitalfinanzierung in der Schweiz zieht der Kanton Zürich eine positive Bilanz: Die Spitalversorgung funktioniert im Kanton Zürich bedarfsgerecht und die Finanzierung kostenbewusst. In Teilbereichen wird dies allerdings untergraben. Das zeigt der heute publizierte Bericht zur Zürcher Gesundheitsversorgung 2014 auf. So trägt der Kanton Zürich in der neuen Spitalfinanzierung Sonderlasten für andere Kantone.

Seit dem 1. Januar 2012 werden die stationären Behandlungen in allen Spitälern der Schweiz über Fallpauschalen im Rahmen einer gesamtschweizerisch einheitlichen Tarifstruktur abgerechnet. Trotz einer kontinuierlichen Verbesserung des Tarifsystems bestehen bei der Abgeltung von gewissen komplexen Fällen systematische Verzerrungen. Bei rund einem Prozent der Fälle im Kanton Zürich übersteigen die Behandlungskosten die Erträge um jeweils mehr als 30‘000 Franken. Einzelne Fälle verursachen gar Defizite von über einer halben Million Franken. Diese hochdefizitären Fälle am Ende der medizinischen Behandlungskette sind zu einem wesentlichen Teil ausserkantonale Patienten. Deren Behandlungen verursachen für den Kanton Zürich jährlich Sonderlasten in zweistelliger Millionenhöhe.
 

Universitätsspital von selektiver Zuweisung besonders betroffen

Das Universitätsspital Zürich (USZ) trägt dabei die Hauptlast, weil ihm aus verschiedenen Kantonen besonders viele hochdefizitäre Patienten zugewiesen werden. Diese selektive Zuweisung ist die Folge einer Verletzung der vom KVG geforderten bedarfsgerechten Spitalplanung und damit eine Einschränkung der Spitalwahlfreiheit in einzelnen Kantonen: Zwar wird das USZ für die Versorgung der Bevölkerung vieler Kantone benötigt, es wird jedoch nicht mit einem umfassenden Leistungsauftrag auf den kantonalen Spitallisten berücksichtigt. Entsprechend erhält es vor allem hochdefizitäre Patienten zugewiesen. Aufgrund der eingeschränkten Spitalwahlfreiheit werden damit Patienten primär innerkantonal behandelt und oft erst bei Komplikationen ans USZ überwiesen. Dies birgt auch die Gefahr, dass viele Patienten nicht von Anfang an im geeigneten Spital behandelt werden und so unnötig verlegt werden müssen.

Dass komplexe Patienten ans USZ mit seinem breiten medizinischen Angebot überwiesen und dort behandelt werden, ist aus medizinischer Sicht richtig. Problematisch ist jedoch die ungenügende Finanzierung dieser Fälle. Die eingeschränkte Spitalwahlfreiheit und die selektive Patientenzuweisung einzelner Kantone strapazieren das Fallpauschalensystem und die interkantonale Solidarität: Während das USZ aufgrund der zahlreichen hochdefizitären Fälle aus anderen Kantonen – auch nach Abzug der Aufwendungen für Lehre und Forschung und trotz höherer Baserate – ein erhebliches Defizit im Umfang von rund 25 Millionen Franken im Jahr erleidet, profitieren die Spitäler in den anderen Kantonen, weil sie die in den Fallpauschalen berücksichtigten Kosten von hochdefizitären Patienten nicht zu tragen haben (vgl. Abbildung 20 im Gesundheitsversorgungsbericht 2014, S. 28).

Nationale Regelung: Individuelle Kostenabgeltung oder Hochrisikopool?

Da neben dem USZ auch die anderen Schweizer Universitätsspitäler davon betroffen sind, muss die Problematik auf nationaler Ebene angegangen werden. Neben der laufenden Verbesserung der Tarifstruktur sollte eine spezifische Abgeltung für die Behandlung hochdefizitärer Patienten geprüft werden.

Eine mögliche Korrekturmassnahme könnte eine Einschränkung der Abgeltung mit Fallpauschalen sein: Wenn der Wohnkanton dem behandelnden Spital keinen Leistungsauftrag vergeben hat, werden anstelle der Fallpauschalen die effektiven Kosten abgegolten. Die Differenz zwischen den effektiven Kosten und dem Ertrag aus der Fallpauschale wäre vom Wohnkanton zu bezahlen. Kantone mit einer restriktiven Vergabe von Leistungsaufträgen an Universitätsspitäler könnten so nicht mehr systematisch auf Kosten der anderen profitieren: Sie müssten bei den hochdefizitären Behandlungen ihrer Patienten die effektiven Kosten von oftmals mehreren hunderttausend Franken übernehmen.

Eine andere Möglichkeit ist ein nationaler Hochrisikopool. Die Kosten der defizitärsten Patienten in Schweizer Listenspitälern würden daraus mitfinanziert. Das behandelnde Spital hätte einen Teil der Kosten selber zu tragen und damit weiterhin einen Anreiz für eine effiziente Behandlung. Die Kosten des Hochrisikopools wären von den beiden Kostenträgern – Kantone und Versicherer – gemeinsam zu tragen. Dies hätte jedoch keine Mehrkosten zur Folge, da die Unispitäler die hochdefizitären Fälle nicht mehr quersubventionieren müssten und ihre Tarife auf das Niveau der anderen Spitäler gesenkt werden könnten. (Ausführlich beschrieben sind die Herausforderungen aufgrund hochdefizitärer Patienten im Gesundheitsversorgungsbericht 2014 auf den Seiten 23 bis 29.)

 

Heute publiziert: Gesundheitsversorgungsbericht 2014

Neben der Problematik der Verzerrungen im interkantonalen Spitalversorgungsnetz findet sich im heute erschienen Bericht zur Zürcher Gesundheitsversorgung 2014 als weiteres Schwerpunktthema die nicht-universitäre Aus- und Weiterbildungsverpflichtung. Zudem liefert der Bericht die wichtigsten Fakten und Zahlen zum aktuellen Stand der Gesundheitsversorgung im Kanton Zürich: Die (Betten-)Auslastung der Spitäler und Kliniken in der Akutsomatik, der Rehabilitation und der Psychiatrie im Kanton Zürich ist hoch, Überkapazitäten sind nicht zu verzeichnen. Die Hospitalisationsraten bewegen sich im Schweizer Durchschnitt; es gibt also keine Anzeichen für eine Überhospitalisation der Zürcher Bevölkerung. Insgesamt lassen sich rund 95 Prozent aller Zürcherinnen und Zürcher, die einen stationären Aufenthalt benötigen, in einem Spital im eigenen Kanton behandeln. Dies unterstreicht das umfassende, hochstehende und zeitgerecht zugängliche Leistungsangebot innerhalb des Kantons.

Der Gesundheitsversorgungsbericht 2014 ist unter www.gd.zh.ch/gesundheitsversorgungsbericht verfügbar und kann bei der Gesundheitsdirektion (gesundheitsversorgung@gd.zh.ch) bestellt werden.